Hans Wüllenweber schrieb über den Fall 1990 ausführlich in seinem Buch „Sondergerichte im Dritten Reich. Vergessene Verbrechen der Justiz.“: Genoveva (Genia) Sieradcka hätte nach zivilisierten Recht und bei gründlicher Sachverhaltsaufklärung freigesprochen werden können. Vom Versuch, die Scheune ihres Bauern anzuzünden, ist sie im entscheidenden  Augenblick zurückgetreten. […] Zur »Tatzeit« ist Genia erst 17 Jahre alt gewesen. Aber das deutsche Jugendstrafrecht wird polnischen jungen Menschen nicht zugebilligt.“ 

Hans Wüllenweber: Sondergerichte im Dritten Reich. Vergessene Verbrechen der Justiz. Luchterhand Literaturverlag. Frankfurt a.M. 1990, S. 121–151, hier S. 121f.: „Das Verbrechen, ein Pole zu sein

Hubert Seliger schreibt in seiner Studie über Schwingenschlögl zum Fall: „Noch weitaus fragwürdiger waren die beiden Urteile wegen Brandstiftung, die in Kempten verhandelt wurden. Schon der Sach-verhalt war merkwürdig. Die polnische Landarbeiterin Genoveva Sieradcka (*1924) war bei einem Bauern in Bachtel (Gemeinde Mittelberg) tätig gewesen und galt als gute Melkerin. […] Ihr Dienstherr hatte sie mit zwei brennenden Reisigbündeln in einer Tenne beim Holz erwischt, die sie mit einem Streichholz entzündet hatte. Zunächst sagte sie dem Bauern, sie habe das Feuer löschen wollen, gab aber dann zu, das Feuer selbst gelegt zu haben, ohne einen wirklichen Grund dafür angeben zu kön-nen. Ihr Arbeitgeber zeigte sie wegen des Vorfalls an, gab allerdings in seiner Vernehmung ausdrück-lich an, kein Interesse an einer strengen Bestrafung zu haben. […] Die […] Urteile gegen die polnischen Landarbeiter waren eindeutig rassistisch belegt. Die Polen starben, weil sie mit ihren Taten die deut-sche »Gastfreundschaft« »schmählich« vergolten hätten und mit ihren Taten das »Deutschtum« belei-digt haben sollen. Besonders dem Urteil gegen Sieradcka und Gura wird man unterstellen können, dass für die Richter der Ausgang des Urteils schon vorher feststand. Weder war ein nennenswerter Sachschaden entstanden noch gelang es dem Gericht bei Sieradcka ein Motiv herauszufinden. Noch krasser war der Fall Gura.“

Genoveva Sieradcka

(1924- 1943)

15.12.1924: geboren in Nowa Wieś, Dorf nördlich von Łódź.

Ende 1940: "Landhelferin" auf dem Anwesen von Josef Kling, Bauernhof und „Alte Sennerei Bachtel“ (damals Gem. Mittelberg/Allgäu, heute Oy-Mittelberg). 

13.05.1943: Verurteilung durch das Sondergericht Kempten unter dem Vorsitz Schwingenschlögls mit den Beisitzern Steinhauser und Zoller wegen versuchter Brandstiftung aufgrund der Anzeige des Bauern sowie Genoveva Sieradckas angeblichem Geständnis. 

03.09.1943: Ermordung durch Enthauptung in München-Stadelheim.

Bestattet auf dem Friedhof  Perlacher Forst.

„Recherchen und historisch-wissenschaftliche Darstellung: Dr. Dieter Weber, Maria Rain“

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