Michael Schwingenschlögl

1898-1977, geb. in Kempten

Nazi-Richter machte in Kempten Karriere

 Dieser Tage erschien ein bemerkenswertes Buch von Hannes Ludyga: „Das Oberlandesgericht München zwischen 1933 und 1945“, herausgegeben im Auftrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts München, Metropol Verlag Berlin, 2012

Darin findet man folgende Passagen: „Der Vorsitzende Richter Oberlandesgerichtsrat Michael Schwingenschlögl (1898-1977) (Anm. KW: er ist gebürtiger Kemptner) sowie seine Beisitzer Joseph Philberth und Alois Neumaier vom 2. Strafsenat am Oberlandesgericht verhängten wegen „Wehrkraftzersetzung“ in Verbindung mit einem „Verbrechen der Vorbereitung zum Hochverrat“ Todesurteile. 

Schwingenschlögl – während der Zeit des Nationalsozialismus auch Richter am Volksgerichtshof und Sondergericht München 2 sowie Mitglied der NSDAP seit Mai 1933 und Blockleiter ab Juni 1936 – war zwischen 1952 und 1956 Staatsanwalt am Landgericht Kempten und zwischen 1956 und 1962 Landgerichtsrat in Kempten. Er bemühte sich nach 1945 nachhaltig um seine Wiederverwendung im Justizdienst und zeigte hinsichtlich seiner Tätigkeit im Nationalsozialismus kein Unrechtsbewusstsein. Das Spruchkammerverfahren gegen ihn wurde nach § 1 des „Gesetzes zum Abschluß der politischen Befreiung“ vom 27. Juli 1950 eingestellt. Die Gauleitung der NSDAP Schwaben hatte jedoch über ihn 1935 geurteilt: „Seine aktive Teilnahme bei Veranstaltungen der Partei, seine willige Übernahme von Vorträgen, die einwandfrei im nationalsozialistischen Sinne gehalten werden, seine Gebefreudigkeit bei Sammlungen und sein allgemeines Gebaren rechtfertigen den Schluß, dass er überzeugter Nationalsozialist ist und als solcher rückhaltlos für Partei und Staat sich einsetzen wird“. 

Schwingenschlögl, der Beisitzer Wölzls im Verfahren gegen Pater Rupert Mayer (von der katholischen Kirche seliggesprochen.KW) war, denunzierte im Nationalsozialismus auch Kollegen. So meldete er den früheren Amtsgerichtsrat Andreas Bezold beim Oberlandesgerichtspräsidenten Stepp, da sich Bezold abfällig über die Tätigkeit der Richter am Sondergericht geäußert habe. Im April 1945 wurde er zudem zum Vorsitzenden des Standgerichts in München ernannt. Standgerichte waren gemäß der „Verordnung über die Standgerichte“ vom 15. Februar 1945 gebildet worden.“ 

Es wird in dem Buch weiter auf die Karriere des Beisitzers Neumaier eingegangen: „Neumaier, der Mitglied der NSDAP seit April 1940 war und ebenso an Todesurteilen des Sondergerichts 3 beim Landgericht München I als Beisitzer mitwirkte, wurde im November 1948 als Landgerichtsrat an das Landgericht München II wiederberufen, war zwischen November 1951 und März 1957 Oberlandesgerichtsrat in München und von April 1957 bis Juni 1966 Rat am Bayerischen Obersten Landesgericht. Die Spruchkammer ordnete ihn nur als Mitläufer ein. Auf ein Glückwunschschreiben des damaligen bayerischen Justizministers Philipp Held (1911-1993) zu seinem 70. Geburtstag antwortete Neumaier: “An meine richterliche Tätigkeit im bayerischen Justizdienst denke ich gerne und dankbar zurück“.

Zu dem Beisitzer Philberth wird in dem Buch ausgeführt: „ Philberth hatte nach eigenen Angaben im Frühjahr 1919 „an den Kämpfen des Freikorps Epp“ teilgenommen, war Mitglied des „Bundes Oberland“ im Jahr 1923, NSV-Blockhelfer seit 1937 und der NSDAP ab November 1939. … Der „Bund“(Oberland, KW) trat im Jahr 1923 dem „deutschen Kampfbund“, den Adolf Hitler anführte, bei. Der „Bund Oberland“ verübte Sabotageakte im Ruhrgebiet und beteiligte sich an Putschversuchen in München am 1.Mai und 9.November 1923…. Zudem war er zwischen August 1941 und Juni 1942 Beisitzer und stellvertretender Vorsitzender am Sondergericht München. Die Spruchkammer München III stufte ihn 1948 als „Mitläufer“ ein. Ab November 1948 war er Landgerichtsrat am Landgericht München I und zwischen Dezember 1951 und August 1957 Rat am Oberlandesgericht München.“ 

In dem Buch heißt es weiter: „Die Todesurteile Schwingenschlögls, Philberths und Neumaiers waren weitere Instrumente zur Absicherung der nationalsozialistischen Herrschaft und Teil der Verfolgungspolitik. Zum Tode verurteilten diese drei Richter am 31.Mai 1944 den 39-jährigen Schlosser Koloman Wagner aus Moosburg, der unter anderem über die deutschen Soldaten in Russland geäußert haben soll: „Die sollen sich die Schädel einrennen, verrecken sollen sie alle, weil sie so dumm sind und hingehen. Ich war jedenfalls nicht so dumm, ich bin weggekommen vom Barras“….“ (Wagner wurde von Nachbarn denunziert, ein Gnadengesuch seiner Frau wurde abgelehnt, ein Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beim Reichsjustizministerium auf Umwandlung in eine langjährige Zuchthausstrafe wurde ebenfalls abgelehnt und das Urteil am 27.Juli 1944 in München-Stadelheim vollstreckt).

„Der Hinrichtungsvorgang dauerte vom Verlassen der Zelle an gerechnet 53 Sekunden; von der Übergabe an den Scharfrichter bis zum Falle des Beiles 8 Sekunden. Zwischenfälle oder sonstige Vorkommnisse von Bedeutung sind nicht zu berichten“. (Das Urteil wurde am 28. Mai 1946 aufgehoben, Anm. Kurt Wirth). 

Ebenfalls zum Tode verurteilte das Oberlandesgericht München unter den Richtern Schwingenschlögl, Philberth und Neumaier die französischen Staatsangehörigen Paul Balbo und Gabriel Beraud wegen „Feindbegünstigung“ und „verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen“…“ (Sie sollen französischen Kriegsgefangenen zur Flucht nach Frankreich verholfen haben. Vollstreckt wurden die Todesurteile nicht. Balbo starb auf Grund der Haftbedingungen in München Stadelheim).

Zum Tode verurteilte das Oberlandesgericht unter dem Vorsitzenden Richter Schwingenschlögl sowie Heinrich Wehrl und Philberth zudem den französischen Staatsangehörigen Alfred Berberat wegen „Feindbegünstigung“, der nach Angaben des Gerichts „seit Juni 1943 als Kraftfahrer beim Postamt 3 in München beschäftigt und im Ausländerlager untergebracht war“. Auch Berberat hatte französischen Kriegsgefangenen bei der Flucht geholfen….Zu einer Deportation nach Dachau und einer Vollstreckung des Todesurteils kam es nicht mehr, da die Amerikaner Berberat am 29.April 1945 bei Geisenhausen befreiten.“ 

„Schwingenschlögl, Philberth und Neumeier verurteilten darüber hinaus den Friseurgehilfen Theodor Jäger aus Weilheim, der nach Ausführungen des Gerichts „jüdischer Mischling ersten Grades“ war, zum Tode wegen „Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung“. Jäger, der 1940 zur Wehrmacht eingezogen worden war und im selben Jahr als „jüdischer Mischling“ wieder entlassen wurde, soll geäußert haben: „Mir ist alles gleich, wie der Krieg ausgeht, ob wir ihn gewinnen oder verlieren. Ich muß jetzt die Haare schneiden und schneide sie auch nachher. … Der Krieg ist für uns schon verloren, mit was wollen wir denn Krieg führen, wir haben doch nichts mehr…Die Vergeltung kommt nicht, die Unseren haben nur ein großes Mundwerk, aber sonst können sie nichts… Wenn nur einmal bei den Verbrechern, die am Krieg schuld sind, eine Bombe einschlagen würde, damit sie verrecken.“

Es werden auch die Fälle Maria Leitl, Valentin Ilg und Jakob Gerstl geschildert, die für relativ harmlose Äußerungen wegen Wehrkraftzersetzung zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt wurden. 

In dem Buch wird weiter ausgeführt, dass die Juden ab 1.Juli 1943 für Straftaten nicht mehr vor Gericht gestellt wurden, sondern die Polizei dafür zuständig war. 

In einem anderen Abschnitt wird auf die Hochverrats- und Landesverratsprozesse eingegangen: „Betroffen von den Hoch- und Landesverratsprozessen vor dem Oberlandesgericht München waren insbesondere Anarchisten, Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Oppositionelle. Der größte Teil der Angeklagten in Hoch- und Landesverratssachen waren Mitglieder und Anhänger der KPD und deren Unterorganisationen….Deutlich wird in den Prozessakten, wie in Freiheit gebliebene Kommunisten versuchten, die Parteiorganisation unter den Bedingungen der Illegalität aufrechtzuerhalten und Widerstand zu leisten. Die Verhaftungen, nach denen die entsprechenden Prozesse folgten, geschehen in erster Linie aufgrund von Informationen von V-Männern oder wegen Denunziationen.“ 

12.11.2012, Kurt Wirth, Kempten

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